Mein aktueller Lieblings-Flugsimulator Aerofly FS2 bzw. Aerofly FS4 überredet mich immer wieder zu neuen Experimenten. Nachdem ich IFR ohne GPS in Aerofly FS2 (und Aerofly FS 4) ausprobiert hatte, animierte mich die Geschichte der Leuchttürmen und großen Beton-Pfeilen für Flugzeuge aus der Gründerzeit der Fliegerei, mir eine neue Aufgabe vorzuknöpfen: Navigation ohne moderne technische Hilfsmittel an Bord!

Die Herausforderung

Die Aufgabe: Ohne jedes technische Hilfsmittel zur Funk- oder Satelliten-Navigation an Bord sicher und zuverlässig mit dem simulierten Flugzeug einen Cross-Country-Flug vom Start- zum Zielflughafen zu finden. Damit entfällt nicht nur das allgegenwärtige GPS, sondern auch die Nutzung von VOR- und NDB-Empfängern. Was erlaubt ist: eine gute Karte, ein Kompass, eine Uhr und ein guter Plan.

Inspiration für solche Abenteuer finden sich z.B. in diesem Youtube-Video, in dem Flugnavigation ohne technische Hilfsmittel im echten Leben zu bewundern ist.

VFR nach diesen Regeln verändert deutlich die Art und Weise, wie ein Flug in einem Simulator durchgeführt werden muss:

  1. Vor der Flugplanung muss deutlich genauer das Wetter überprüft werden. Nicht nur eine hinreichend hohe Sichtweite muss gegeben sein – auch der Wind spielt beim VFR eine wichtigere Rolle als bei der Fliegerei mit Navigationsunterstützung.
  2. Im Vorfeld muss ein präziser Flugplan ausgearbeitet werden, bei dem der jeweilige Kurs und die Distanzen vermerkt werden müssen, sowie die daraus resultierenden Zeiten.
  3. Der Flugplan muss dabei nicht zwangläufig der kürzeste Weg sein, sondern vor allen Dingen sich an aus der Luft sichtbaren Merkmalen orientieren.
  4. Im Flug wiederum wollen der Kurs, die Geschwindigkeit und die Zeit beachtet werden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie weit man auf dem Flugplan bereits gekommen ist.
  5. Und nicht zuletzt muss der Pilot beständig aus dem Fenster schauen, um Geländemerkmale wieder zu erkennen, an Hand derer er oder sie seine Position feststellen kann.

Statt also seine Hände in den Schoß und sein Schicksal in die Hände des Autopiloten zu legen, ist bei Gelände-VFR-Flügen Aufmerksamkeit und Konzentration gefragt.

Disclaimer: Natürlich ist diese Anleitung weder vollständig, professionell, noch für die Verwendung im wahren Leben geeignet. Andererseits kann diese Anleitung auch für andere Simulatoren genutzt werden, wie zum Beispiel den Microsoft Flight Simulator oder X-Plane – vor allen Dingen aber für Fliegerei in der Zeit vor der Instrumentennavigation, wie in IL-2 Sturmovik.

Aeroflys Arbeitspferde für Gelände-VFR

In Aerofly FS2 / Aerofly FS4 gibt es mehrere Fluggeräte, die heimliches Spicken auf etwaigen Navigationsgeräten unterbinden… weil sie nämlich über keine Navigationsgeräte verfügen. Neben den Flugzeugen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg eignen sich vor allen Dingen die Doppeldecker im Bestand sehr für VFR-Fliegerei: Sowohl die Bückner Jungmeister als auch die Pitts S-2 verfügen über eine ausgezeichnete Aussicht – und keinen einzigen Funknavigations-Empfänger.

Bei X-Plane 11/12 eignet sich z.B. die mitgelieferte Aero-Works Aerolite 103 oder Stinson L-5 Sentinel für Flüge ohne Navigations-Bordinstrumente.

In MSFS2020 sind unter anderem die Pitts S-2 oder die Zlin Aviation Savage Cub für Flüge ohne Navigationsinstrumente geeignet.

Taxifahrer brauchen kein GPS: Unterwegs mit der Pitts S-2

Wetter: Wichtiger denn je

Schon vor Beginn der eigentlichen Flugplanung muss ein scharfer Blick in die Wetterdaten geworfen werden. Die Mindestanforderungen sind natürlich die Visual Meteorological Conditions (VMC). Für VFR (MVFR) muss die Sichtweite mindestens 5SM (3SM) und die Wolkenuntergrenze mindestens 3.000ft (1.000ft) sein. Besseres Wetter ist natürlich zu bevorzugen, da das Gelände sichtbar sein muss.

Zu beachten ist die Korrelation zwischen Wolken und Flughöhe: Da unsere Flughöhe mindestens 500ft über dem nächsten Hindernis in 2.000ft Umkreis sein muss (bzw. 1000ft über dem nächsten Hindernis in 2.000ft Umkreis in bebauten Gelände), kann nicht jedes Wetter unterflogen werden. Außerdem sollten wir eine Flughöhe von 3.000ft AGL nicht überschreiten, um das Gelände im Blick zu behalten. Nicht zuletzt sollte die Regel bedacht werden, dass über 3.000ft MSL je nach Kurs eine unterschiedliche Flughöhen eingehalten werden muss:

Kurs 0–179° Kurs 180–359°
3.500ft MSL 4.500ft MSL
5.500ft MSL 6.500ft MSL
7.500ft MSL 8.500ft MSL
9.500ft MSL 10.500ft MSL
11.500ft MSL 12.500ft MSL

Nicht zuletzt muss die Windrichtung und -stärke vermerkt werden. Je nach eigener Flugrichtung und -geschwindigkeit wird Wind den eigenen Kurs verfälschen und sollte von vorne herein mit einkalkuliert werden.

All diese Bedingungen zusammen machen die Flugplanung nochmals herausfordernd.

Flugpläne für Sichtflieger

Grundlage für einen Cross-Country-VFR-Flug ist ein gut durchdachter Flugplan. Glücklicherweise hat Aerofly FS2 / Aerofly FS4 ein eingebautes Tool zur Erstellung einfacher Flugpläne.

Für eine besondere Herausforderung sorgt die Tatsache, dass eher tief geflogen wird. Dementsprechend muss bei der Planung berücksichtigt werden, ob es Hindernisse oder Flugverbotszonen gibt, die den eigenen Flugplan beeinflussen.

Flugpläne werden vom Start zum Ziel gedanklich in Streckenabschnitte zerlegt. Dabei ist es sinnvoll, Geländemerkmale zu finden, die den Verlauf und das Ende jedes einzelnen Streckenabschnitts markieren. Auch hierbei unterstützt Aerofly FS2 / Aerofly FS4, indem es automatisch Wegpunkte (und damit Streckenabschnitte) in den Flugplan einfügt.

Für einen Flugplan geeignete Geländemerkmale müssen gut aus der Luft erkennbar sein. Wichtig ist dabei, sich wirklich große Merkmale auszusuchen. Ein vom Boden aus imposanter Hügel kann aus der Luft einfach nur wie ein flacher Hügel aussehen, oder ein malerisch von Bäumen eingefasster Fluss aus der Luft fast unsichtbar sein.

Für den letzten Streckenabschnitt gibt es auf jeden Fall ein gut sichtbares Geländemerkmal: Den Zielflughafen.

Die Verwendung von Geländemerkmalen

Folgende Geländemerkmale eignen sich in der Regel sehr gut:

  • Küstenlinien, z.B. von Meeren (unübersehbar), Seen und große Flüsse
  • Markante Berge bzw. hohe Bergketten
  • Größere Areale mit auffälliger Vegetation oder Bebauung
  • Große Straßen (auf denen Nachts auch Verkehr ist)

Dabei unterscheidet man linienförmige von punktförmigen Geländemerkmalen. Linien werden z.B. durch Küstenlinien, Vegetationsgrenzen, Straßen oder Wasserwege erzeugt – alles, was länger als ein paar Kilometer ist. Punktförmige Geländemerkmale sind z.B. markante Bergspitzen, Seen oder Bauwerke.

Ein gutes Hilfsmittel zur Identifikation von Geländemerkmalen sind Luft- oder Satellitenaufnahmen.

Ausflug zum Golf(en), immer der Straße nach

Geländemerkmale könne auf vielfältige Weise für den Flugplan verwendet werden:

1. Leitlinien

Die einfachste Methode ist es, ein linienförmiges Geländemerkmal als Leitlinie zu verwenden, dem der Flugplan bzw. das Flugzeug folgen muss. Der Flugplan wird z.B. parallel zu einer großen Straße oder einer Bergkette gelegt, an der entlang geflogen wird. Damit entfällt die Aufgabe, den Kurs des Flugzeugs zu überwachen.

In den meisten Fällen werden Geländemerkmale nicht direkt zum Zielflughafen führen. Wichtig ist es also für den Piloten, einen Anhaltspunkt für das Ende eines Streckenabschnitts zu haben, zum Beispiel ein weiteres Geländemerkmal.

Highways sind aus der Luft eine Augenweide

2. Auffanglinien

Eine sehr gute Methode zur Orientierung ist die Verwendung einer Auffanglinie. Dabei wird der aktuelle Streckenabschnitt von einem anderen, gut sichtbaren linienförmigen Geländemerkmal gekreuzt und ergibt somit ein deutlich sichtbares Signal, an welcher Stelle des Streckenabschnitts man sich befindet. Sinnigerweise ist eine Auffanglinie am Ende eines Streckenabschnitts vorhanden, so dass das Ende des Abschnitts unübersehbar wird.

Das Prinzip der Auffanglinie ist vielseitig nutzbar. So können Streckenabschnitte ohne Leitlinie auskommen, solange das Ende des Abschnitts von einem quer zur Flugrichtung verlaufenden Geländemerkmal begrenzt wird. Dabei ist es dann auch nicht so wichtig, auf welchem Punkt das eigene Flugzeug genau auf die Auffanglinie trifft, solange man sich sicher ist, ob der Linie dann nach links oder rechts gefolgt werden muss. Hier hilft ggf. der Trick, weiter nach links zu zielen, wenn man an der Auffanglinie nach rechts fliegen muss bzw. umgekehrt.

Ein ausgezeichnetes Beispiel für eine gut nutzbare Auffanglinie ist z.B. die Porta Westfalica, eine von einem Fluss durchbrochene Bergkette… oder der Overseas Highway in Florida, der von Norden kommend schwer zu verfehlen ist.

Auf zu den Flamingos - die Küste fängt uns auf

3. Orientierungspunkte

Auf Streckenabschnitte können an Stelle von Auffanglinien auch Orientierungspunkte verwendet werden, um den Fortschritt entlang des Streckenabschnitts einschätzen zu können, oder um das Ende des aktuellen Streckenabschnitts zu markieren.

Städte, Industriekomplexe, auffällige Brücken oder Flughäfen sind hervorragende Möglichkeiten, eindeutig seine Position festzulegen. Ein todsicheres Zeichen für das Erreichen des letzten Streckenabschnittes ist in der Regel ein Flughafen, der Tag wie Nacht gut zu sehen sein sollte.

Im Gegensatz zu linienartigen Geländemerkmalen besteht bei punktförmigen Geländemerkmalen aber immer die Gefahr, diese zu verfehlen oder schlicht zu übersehen.

4. Ohne Gelände: Zeitmessung via Stoppuhr

Das größte Problem besteht bei Flugplänen über eintöniges Gelände ohne Leit- und Auffanglinien sowie ohne Orientierungspunkte – wenn zum Beispiel das Ziel eine einzelne Insel weit draußen im Meer ist. Da die Landschaft hier keinen Anhaltspunkt für Abweichungen vom Kurs darstellt, hilft hier nur die penible Messung von Kurs und Zeit. Die im Vorfeld berechneten Längen des Streckenabschnitts kann durch die Bodengeschwindigkeit geteilt werden, um die Flugdauer für einen Streckenabschnitt zu berechnen. Wichtig ist dabei, die Einheiten korrekt umzurechnen:

  • 1 Nautische Meile = 1,852 km
  • 1 Standardmeile = 1,609 km
  • 1 Knoten = 1 Nautische Meile / h

Daraus resultiert: Zeit (h) = Strecke (NM) / Geschwindigkeit über dem Boden (kts)

Hilfreich kann in diesem Zusammenhang ein einfacher Rechner sein, der den Zusammenhang zwischen Bodengeschwindigkeit, Strechenlänge und benötigter Zeit darstellen kann – vor allen Dingen für den Fall, dass unterschiedliche Einheiten miteinander verrechnet werden müssen.

Das Vorgehen in der Luft ist denkbar einfach: Zu Beginn des Streckenabschnitts wird eine Stoppuhr gestartet, so dass beim Erreichen der vorher kalkulierten Zeit der Pilot weiß, dass er das Ende des Streckenabschnitts erreicht haben muss. Dummerweise hat diese Methode den Nachteil, dass viele Faktoren (wie zum Beispiel Wind) die tatsächliche Flugzeit beeinflussen. Hier hilft nur die strikte Kontrolle des Kurses und der Geschwindigkeit – und ein waches Auge.

Vom Winde verweht: Kurs & Geschwindigkeit

Das eigentliche Problem beim Abfliegen eines Flugplans nach Kompass ohne weitere Geländemerkmale ist, dass Windrichtung und -geschwindigkeit die Position des Flugzeugs unbemerkt verändern können. Während Gegenwind die Geschwindigkeit über dem Boden herab- und Rückenwind die Geschwindigkeit über dem Boden heraufsetzt, kann Seitenwind das Flugzeug vom eigentlich geplanten Kurs abbringen.

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Dabei gibt es keine Instrument an Bord, die auf diese Umstände hinweisen: Die Geschwindigkeit eines Flugzeugs wird an Bord des Flugzeugs relativ zur umgebenden Luft angezeigt. Das kann unter anderem dafür sorgen, dass Flugzeug eine fantastische Geschwindigkeit über dem Boden erreichen, die sie als wahre Geschwindigkeit relativ zur sie umgebenden Luft niemals überstehen würden. Und das ein starker Seitenwind das Flugzeug seitwärts vom Kurs drückt, verändert den Kompass an Bord ebenfalls nicht – ein Flugzeug muss nicht zwangsläufig in die Richtung zeigen, in die es fliegt. Das erleben Instrumentenflieger, wenn sie versuchen, auf einem eingestellten Radial zu bleiben.

Dementsprechend ist es wichtig, vor dem Abflug (und sinnigerweise auch unterwegs) die genaue Windrichtung und -geschwindigkeit zu kennen, und die Auswirkung auf den eigenen Kurs einzukalkulieren. Während bei Gegen- und Rückenwind keine Auswirkungen auf den Kurs zu befürchten sind, sondern nur auf die Geschwindigkeit über dem Boden, ist die korrekte Einschätzung von Seitenwinden deutlich schwieriger. Mit ein bisschen angewandter Trigonometrie kann man diese Berechnungen selber durchführen – ich persönlich habe mir einen kleinen Rechner zum Berechnen des Korrekturkurses und der tatsächlichen Geschwindigkeit gebaut.

Fazit

Die Welt der GPS-Navigation und Autopiloten hat euch den Spaß am Fliegen genommen? Dann macht mit beim VFR. Selbst kurze Strecken werden zur fliegerischen Herausforderung – und ihr erlebt eine ganz neue Verbundenheit mit eurer Umgebung, da auf einmal jede Straße, jeder Fluss und jedes Gebirge relevant wird.


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